Eröffnung – Intensiv
Die Preußische Partie

Bei der Preußischen Partie handelt es sich um einen überfallartigen Angriff von Weiß im Zweispringerspiel.
Sehen wir uns zunächst die Grundstellung an. Sie entsteht nach den Zügen: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.Sg5
Grundstellung der Preußischen Partie
Angesichts der doppelten Bedrohung von f7 habe ich schon viele überraschte Spieler verzweifeln sehen. Ja es soll sogar schon vorgekommen sein, dass Schwarz an dieser Stelle keine Rettung mehr sah und aufgab.
Doch bleiben wir ganz ruhig: Schwarz hat nur natürliche Entwicklungszüge gemacht. Weiß hat im Gegensatz zu den Eröffnungsregeln schon eine Figur zum zweiten Mal gezogen. Es kann eigentlich gar nicht sein, dass Schwarz schlecht steht.
In der Tat, kann Schwarz mit dem Zug d7-d5 die Bedrohung abwehren.
Schwarz verteidigt sich mit d7-d5
Nach dem folgerichtigen Schlagen auf d5 hat Schwarz nun eine erstaunlich große Auswahl an Gegenzügen. Wir wollen uns diese Möglichkeiten der Reihe nach ansehen.

1) Am logischsten scheint es zu sein, dass Schwarz sofort den Bauern auf d5 schlägt und das materielle Gleichgewicht bewahrt.
Schwarz schlägt sofort wieder auf d5
Wir haben gesehen: Schwarz gerät hier sofort in einen sehr gefährlichen Angriff. Nur mit äußerst genauem Spiel kann er überhaupt eine haltbare Stellung bekommen. In der Praxis habe ich hier eigentlich immer weiße Siege gesehen, weil Schwarz irgendwann vom Pfad der Tugend abkam.
Er hat es aber gar nicht nötig, sich auf diese Variante einzulassen.

2) Als wichtigste Alternative zu 5. … Sxd5 gilt der Zug 5. … Sa5, welcher die Hauptvariante einleitet.
Hauptvariante mit Sa5
In der Hauptvariante behält Schwarz meist einen Bauern weniger, bekommt dafür jedoch eine aktive Aufstellung seiner Figuren. Weiß hat auf lange Sicht mit schwierigen Verteidigungsaufgaben zu kämpfen.

Neben der Variante mit 5. … Sa5 gibt es noch 2 weitere Abspiele, die man kennen sollte.
Insbesondere, weil solche Varianten oft von Spezialisten gespielt werden, die sich darin sehr gut auskennen und in diesen Nebenvarianten einen großen Erfahrungsschatz besitzen.

3) Die Fritz-Variante: Der Name dieser Variante hat nichts mit dem heute bekannten Schach-Programm zu tun, sondern rührt von dem deutschen Schachmeister Alexander Fritz (1857 – 1932), der diesen Zug einführte.
Die Fritz-Variante

4) Die Ulvestad-Variante: Sie wurde in den 1940er Jahren von dem Amerikaner norwegischer Abstammung Olav Ulvestad (1912 – 2000) eingeführt.
Die Ulvestad-Variante

Nun noch zu einer Abweichung für Schwarz bereits im 4. Zug: Dem Traxler-Angriff. Er gehört zu den spannendsten und schärfsten Eröffnungen. Die Variante wird in unseren Breiten nach dem Tschechen Karel Traxler benannt, der sie um die Jahrhundertwende 1900 erfolgreich anwandte. Im englischen Sprachraum wird sie als Wilkes-Barre-Variante bezeichnet.
Eine umfassende Darstellung würde den hier verfügbaren Rahmen sprengen. Deshalb nur als Anregung zur eigenen Beschäftigung:
Der Traxler-Angriff

Fassen wir zusammen:Als Schwarzer müssen wir die wichtigen Verteidigungsprinzipien gegen 4.Sg5 kennen. Dazu genügt die Hauptvariante mit 5. … Sa5 völlig. So bringt uns der Überfallangriff nicht aus der Ruhe.
Mit Weiß kann man diese Eröffnung aber ebenfalls gut spielen. Gerade gegen unerfahrene Gegner ist sie eine gefährliche Waffe, besonders wenn man die Variante mit dem Opfer auf f7 bedenkt.
Gegen stärkere Spieler sollte man immer darauf gefasst sein, dass sie eine der Nebenvarianten (Fritz, Ulvestad oder sogar Traxler) aus dem Ärmel zaubern. Zumindest grob muss man sich also auch hier auskennen.

Während die Hauptvarianten in jedem guten Eröffnungsbuch erklärt werden, sind die Nebenvarianten die Domäne der Spezialisten.
Eine sehr gute und ausführliche Darstellung der Varianten von Fritz, Ulvestad und Traxler gibt ein Buch von Gregor Cramer (Beyer-Verlag, 1993).




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Thomas Binder, 2003