Dan Heisman

A Guide to P-R3 (1. Teil)

1. Spiele nicht h2-h3 um eine Figur von einem bestimmten Feld abzuhalten, wenn diese Figur andere Felder hat, wo sie genau so gut stünde!

Stelle dir z. B. vor, du spielst h2-h3 um dem Zug des gegnerischen Läufers nach g4 vorzubeugen – und dann spielt dein Gegner einfach den Läufer nach f5, was ihn ebenfalls auf ein gutes Feld bringt. Dann war h2-h3 nur Zeitverschwendung. Sehen wir dazu ein Beispiel aus der Skandinavischen Verteidigung:
Beispielstellung Nr. 1 (Heisman)
Nach dem Zug 6.h2-h3?! hat Schwarz kein Problem damit, seinen Läufer nach f5 zu stellen. Daher werden Entwicklungszüge wie 6.Lc4, 6.Ld2 oder 6.Se5 weit häufiger gespielt.
Anmerkung des Übersetzers: Die Chessbase-Datenbanken geben dem Autor Recht – nur in etwa 3% der Fälle wurde in dieser Stellung 6.h2-h3 gespielt.

Eine gebräuchliche Idee in der Pirc-Verteidigung ist, nach den Zügen …Lg4 und …Lxf3 mit …e7-e5 einen Angriff auf den schwarzen Feldern einzuleiten. Daher ist es in der konkreten Variante des nächsten Beispiels ein akzeptabler "Großmeisterzug", h2-h3 zu spielen, auch wenn dies zunächst nach einem "Anfängerzug" aussieht.
Beispielstellung Nr. 2 (Heisman)
Der Zug nach h3 sieht furchtbar aus, ist es aber keineswegs. Da das Feld g4 mit Abstand der beste Platz für den Läufer wäre, befinden wir uns in völliger Übereinstimmung mit dem ersten Lehrsatz. Die Felder d7, e6 und f5 sind offensichtlich schlechtere Zielfelder für den Läufer c8 als das Feld g4. Daher ist es sinnvoll, mit h2-h3 den einzigen guten Zug dieses Läufers zu verhindern.
Anmerkung des Übersetzers: Immerhin zeigt die Datenbank-Analyse, dass der scheinbar unglückliche Zug h2-h3 an dieser Stelle in fast 20% der Fälle gespielt wurde, darunter auch von hochkarätigen Meistern. Häufiger geschieht in der betrachteten Stellung nur 5.Le2 (ca. 50%).

So haben wir unsere Folgerung aus dem 1. Lehrsatz:
Wenn der Läufer deines Gegners nur ein gutes Entwicklungsfeld besetzen kann und du kannst dies mit einem Bauernzug verhindern, dann solltest du das auch tun.


2. Spiele nicht h2-h3 um eine Fesselung zu vermeiden, die keine wirklichen Drohungen aufstellt!

Die Vorbeugung gegen ungefährliche Fesselungen gehört zu den häufigsten Fehlern, mit denen Anfänger Zeit vergeuden. Sie fürchten alle Fesselungen, statt nur der wirklich gefährlichen.
Beispielstellung Nr. 3 (Heisman)
Die Vorteile des verzögerten Zuges h2-h3 wurden an diesem Beispiel offensichtlich. Entweder wird Schwarz zum Abtausch gezwungen oder Weiß gewinnt Zeit für 1-2 weitere nützliche Züge.
Unsere Folgerung lautet also:
Der Zug h2-h3 zur Vorbeugung gegen Lc8-g4 ist oft weniger wirksam, als den Läuferzug zuzulassen und den Eindringling dann zu "befragen".

Diese Regel hat aber ihre Ausnahmen und zwar immer dann, wenn die Fesselung wirklich unangenehm ist und die üblichen Züge zur Abwehr der Fesselung (h2-h3 nebst g2-g4) nicht möglich sind oder die eigene Stellung zu sehr schwächen würden. Auf die Frage nach der Lästigkeit einer Fesselung kommen wir noch zurück.

Jetzt aber noch einige Gedanken zum gerade angesprochenen Vorstoß g2-g4.
Viele Spieler mittlerer Stärke haben oft Angst, g2-g4 zu spielen, weil sie die Schwächung ihrer Königsstellung fürchten – selbst dann wenn sie noch gar nicht rochiert haben. In solchen Positionen ist aber g2-g4 ein gebräuchliches Motiv welches Raum gewinnt und die Fesselung des Springers f3 abwehrt. Sehen wir dazu ein Beispiel aus der Skandinavischen Verteidigung.
Beispielstellung Nr. 4 (Heisman)
Anmerkung des Übersetzers: Die Datenbanken weisen aus, dass in der hier vorgestellten Stellung ca. 75% der Partien in der Tat mit g2-g4 fortgesetzt wurden.

Spieler, die nach solchen Zügen wie g2-g4 verloren haben, geben die Schuld an der Niederlage oft den Schwächungen, die dieser Zug hervorgerufen habe. Dan Heisman fasst dies in den bemerkenswerten Merksatz:
Nur weil man sich eine Schwäche erlaubt hat und später wegen dieser Schwäche verloren hat, muss der schwächende Zug noch nicht falsch gewesen sein.
Oder wie Bobby Fischer gern sagte: Du musst Felder geben um Felder zu bekommen.
Aber man kann ja auch nach einem guten Zug schlecht spielen und verlieren! Es gehört schon etwas Erfahrung dazu, die genaue Ursache einer Niederlage zu erkennen.


3. Spiele nicht h2-h3 oder h7-h6 um Phantomdrohungen zu stoppen!

Eine Phantomdrohung ist eine, die gefährlich aussieht, sich aber bei sorgfältiger Analyse als unproblematisch erweist. So "lernen" viele Anfänger, in der Italienischen Eröffnung, dem Zug Sf3-g5 mittels h7-h6 vorzubeugen. Das ist aber völlig unnötig.
Beispielstellung Nr. 5 (Heisman)
Eindrücklich wurde gezeigt, wie unnötig der "vorbeugende" Zug h7-h6 hier war. Für die nur kurz angesprochene Variante zum Zweispringerspiel verweise ich auf bereits vorliegendes Trainingsmaterial zu dieser Eröffnung.

Welch katastrophale Folgen die Zeitverschwendung durch h7-h6 haben kann, zeigt die folgende Kurzpartie im Sinne des Seekadettenmatts.
Beispielstellung Nr. 6 (Heisman)


Übersetzung und Bearbeitung: Thomas Binder




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Thomas Binder, 2006