Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 21
A Guide to P-R3 – 1. Teil
Eröffnung intensiv – Folge 12
Die Zwickmühle
Regelfragen – Folge 8
Internationale Schachverbände
Final Fun
Das Mattmotiv, welches uns heute beschäftigen soll kommt sowohl als Eröffnungsfalle als auch in späteren Partiephasen vor.
Seine Benennung beruht auf dem Roman "Anastasia und das Schachspiel" des deutschen Schriftstellers Wilhelm Heinse (1746 – 1803),
der auch ein begeisterter Schachspieler war.
Sehen wir uns zunächst das klassische Beispiel aus einer Partie von Exweltmeister Emanuel Lasker an:
Lasker – NN, 1894
Es gibt eine große Zahl sehr ähnlicher Kurzpartien, in denen ein Damenopfer auf h7 das Matt durch den Turmzug nach h5 einleitet.
Natürlich kann auch Schwarz zur Mattkombination ansetzen, wie im folgenden Beispiel der moldawische Großmeister Svetushkin.
Bocharov – Svetushkin, 2003
Ganz ohne Opfer auf h7 bzw. h2 geht es zumindest in der Eröffnung nicht. Aber es muss nicht immer die Dame sein, die man
ins Geschäft steckt.
Konig – Kotlant, Tschechien 1999
Im Mittelspiel wird man hin und wieder auch von unserem Motiv überrascht. Mangelnde Aufmerksamkeit oder einfach Unkenntnis
führen zu ärgerlichen Niederlagen. Ein Beispiel aus Griechenland soll genügen.
Dimitrakopoulou – Themeli, Griechenland 2003
Unser letztes Beispiel hebt sich von den übrigen deutlich ab. Einerseits sehen wir zwei absolute Weltklassespieler ihrer
Zeit in einer Partie aus einem hochklassigen Turnier. Zum anderen wird das Anastasia-Matt nicht über die Randlinie sondern
auf der Grundreihe ausgeführt. Auch darauf muss man also gefasst sein.
Vidmar – Euwe, Karlsbad 1929
Wir haben diesen Schluss bereits beim Thema "Hinlenkungsopfer" gesehen. Die Klasse der Spieler und die Schönheit des finalen
Angriffs rechtfertigt aber allemal diese kleine Wiederholung.
Wir wissen, dass es oft eine schwierige Entscheidung ist, in der Eröffnung den Randbauern vor der (kurzen) Rochadestellung
ein Feld nach vorn zu ziehen, also h2-h3 bzw. h7-h6 zu ziehen.
Ein solcher Zug verfolgt vor allem zwei Ziele:
Andererseits bringt der Bauernzug auch Probleme mit sich, wegen derer er gründlich durchdacht sein muss:
Der hoch angesehene amerikanische Schachtrainer Dan Heisman hat einen Aufsatz veröffentlicht, in dem er versucht
allgemeine Regeln aufzustellen, die wir bei der Entscheidung für oder gegen h2-h3 berücksichtigen sollten.
Unter dem Titel A Guide to P-R3 ist diese Arbeit im Internet veröffentlicht. Ich stelle sie hiermit als zweiteilige
Folge in deutscher Übersetzung vor.
A Guide to P-R3 (1. Teil)
Der zweite Teil folgt in der nächsten Trainingseinheit, ist aber in der Online-Fassung auch von hier direkt
erreichbar:
A Guide to P-R3 (2. Teil)
Noch eine Bemerkung zum Titel: "P-R3" bezeichnet den Zug h2-h3 bzw. h7-h6 in der sogenannten deskriptiven Notation, wie
sie im englischen Sprachraum zuweilen üblich ist.
Die heutige Eröffnungsanalyse gilt einer faszinierenden Gambitvariante der Französischen Verteidigung. Sie mag gegen Spieler,
die sich darin gut auskennen nicht unbedingt gewinnbringend sein, aber interessante Partien kommen ganz gewiss aufs Brett -
und wie immer gewinnt der bessere Spieler. Es kann also nicht schaden, diese Ideen zu kennen.
In den Anfangsjahren meiner bescheidenen Schachkarriere war das Milner-Barry-Gambit meine Waffe gegen Französisch, erst
später ging ich generell von der Vorstoßvariante ab. Doch an die intensiven Analysen im Freundeskreis denke ich noch gerne
zurück.
Das Trainingsmaterial befindet sich in einem eigenen Dokument:
Das Milner-Barry-Gambit
Wir betrachten heute erneut ein hübsches taktisches Motiv, welches uns schon gelegentlich begegnet ist. So erinnere ich an
die berühmte Partie von Torre und Lasker im 16. Training und an die zu Unrecht vergessene Partie Schmid – Muth in der neunten
Trainingseinheit. Auch im Verlaufe der großartigen Partie von Robert Fischer gegen Donald Byrne (Training Nr. 7) ist ein
Zwickmühlenmotiv zu sehen, dessen Bedeutung bei den vielen Analysen dieser oft gezeigten Partie meist übersehen wird.
Ursprünglich kommt der Begriff Zwickmühle von einem ähnlichen Motiv aus dem Mühlespiel, welches dort
für den angegriffenen Spieler die gleichen fatalen Folgen hat.
Die hier analysierte Auswahl von Zwickmühlen basiert auf einer Sammlung des Holländers Tim Krabbé.
In unserem ersten Beispiel leitet der spätere Sieger die Zwickmühle mit einem überraschenden Damenopfer ein.
Jahr – Werk, Deutschland 1979
Mit einem Damenopfer wird auch der nächste Mattangriff eingeleitet. Danach dient die Zwickmühle dazu, die störenden
Figuren aus einer Mattlinie zu entfernen.
Alexandrow – Saizew, Sowjetunion 1974
Sehr selten kommt es vor, dass nicht der König sondern die Dame die Zielfigur hinter einer Zwickmühle ist. Das folgende
Beispiel ist insofern also eine besondere Rarität.
Karakas – Semjonowa, Budapest 1980
Bisher haben wir Zwickmühlen gesehen, in denen Läufer und Springer zusammenarbeiteten. Genauso häufig ist auch der Turm als
Partner des Läufers im Einsatz. Sehr schön ist die folgende Partie, in der eine Zwickmühle sehr oft und zu verschiedenen
Zwecken benutzt wird. Auch wenn sich Weiß nicht immer optimal verteidigt, ist dies eine sehr sehenswerte Partie.
Nötzold – Lenk, Deutschland 1976
Kommen wir zur Zwickmühle auf höchster Ebene. Weltmeister Petrosjan gewinnt damit gegen GM Kupreitschik eine Partie der
sowjetischen Meisterschaft 1976, die er auf Platz 3 beendete.
Petrosjan – Kupreitschik, Moskau 1976
Zum Schluss sehen wir 2 verwandte Beispiele, in denen die Zwickmühle dazu benutzt wird, eine gegnerische Figur von der
Verteidigung auszuschließen.
Schneider – Lund, Schweden 1983
Speelman – Kudrin, England 1983
Unter den verschiedenen Remisregeln ist die 50-Züge-Regel noch am einfachsten. Sie besagt, dass eine Partie remis
gegeben wird, wenn 50 Züge lang kein Bauer gezogen und kein Stein geschlagen wurde.
Bauernzüge und Schlagfälle sind sozusagen unumkehrbar. Sie verändern eine Stellung grundlegend. Alle anderen Züge können durch
bloßes Hin-und-Her-Ziehen umgekehrt werden. Die Regel soll vermeiden, dass eine Partie durch sinnloses Hin-und-Her-Ziehen
"endlos" verlängert wird.
Doch auch die 50-Züge-Regel hat ihre Tücken: Ähnlich wie bei der Stellungswiederholung muss ein Spieler das Remis anfordern.
Er muss dies tun, bevor er seinen Zug ausführt. Anderenfalls wäre der Gegner am Zug und könnte vielleicht doch etwas schlagen
oder einen Bauern ziehen.
Die Berechtigung der 50-Züge-Reklamation muss man anhand seiner Partiemitschrift nachweisen. Wird nicht mitgeschrieben, ist
es naturgemäß schwierig, den Beweis zu führen. Hier kann man sich allenfalls durch leises aber vernehmbares Mitzählen behelfen,
wobei man natürlich nur die Züge einer Seite zählen darf.
Als die Schachcomputer aufkamen erkannte man bald, dass es Stellungen gibt, die zwar zwingend gewinnbar sind, aber bei bester
Gegenwehr mehr als 50 Züge ohne Bauernzug und Schlagfall erfordern. Kurzzeitig hatte die FIDE daher für bestimmte Materialverteilungen
im Endspiel höhere Zuggrenzen eingeführt. Davon ist man inzwischen abgekommen. Es ist einfach unmenschlich, vom Verteidiger
eine optimale Spielweise über vielleicht 70 Züge zu verlangen.
Wir wissen also, dass es Stellungen gibt, die objektiv gewonnen sind, unter Turnierbedingungen aber nicht gewonnen werden
können…
In meiner eigenen Spielpraxis ist mir noch keine ernsthafte Turnierpartie untergekommen, in der die 50-Züge-Regel eine Rolle spielte. Einzig im Serverschach hatte ich bereits diesen Fall: Ich versuchte mich gegen einen bekannten Berliner Spieler notgedrungen am Matt mit Springer und Läufer. Ich war auch auf dem richtigen Weg, doch die 50-Züge-Klappe fiel kurz vor dem Matt.
Den Rekord für das "schnellste" Remis nach der 50-Züge-Regel halten zwei Holländer aus einem Mannschaftskampf im Jahre 2005.
Im 19. Zug waren die letzten Bauernzüge gemacht worden. Schwarz bot in der Folge mehrfach Remis an, was sein Gegner mit
Rücksicht auf seine Mannschaft ablehnen musste. Nach 69 Zügen konnte er aber der Punkteteilung nicht mehr ausweichen.
Somit wurde ein Rekord von 1966 unterboten, als sich 2 Spieler nach 70 Zügen durch Remis gemäß dieser Regel trennten (siehe
Trainingseinheit 15). Zur Dokumentation hier die neue Rekordpartie:
Pouw – van Dort, Niederlande 2005
Weitaus interessanter wird es, wenn ein taktischer Kniff her muss, um das Remis über die 50-Züge-Regel zu vermeiden. Im folgenden
Beispiel ist der Gewinn zwar trivial – doch der normale Weg dorthin funktioniert nicht, weil man sich schon bedenklich nahe
an der 50-Züge-Grenze befindet.
Anonyme Aufgabe
Wie jede ordentliche Sportart (man denke nur an FIFA und UEFA im Fußball) wird auch das schachliche Wettkampfgeschehen von einem internationalen Fachverband geleitet. Darüber hinaus widmen sich weitere Verbände dem Geschehen in einzelnen geographischen Regionen, speziellen Spielergruppen oder anderen Spezialgebieten.
Der wichtigste internationale Schachverband ist die FIDE (Fédération Internationale des Échecs). Sie wurde 1924
in Paris gegründet und trägt daher einen französischen Namen. Mitglieder dieses Weltschachbundes sind die jeweiligen
nationalen Verbände aus aller Welt – und das sind zur Zeit immerhin ungefähr 160.
Wichtigste Aufgaben der FIDE sind die Organisation der verschiedenen Weltmeisterschaften (Männer, Frauen, verschiedene
Jugendklassen, Mannschaften, …), die Verwaltung der Weltrangliste ("ELO-Zahlen") und die Vergabe der internationalen
Titel (Großmeister usw.). Natürlich verwaltet sie auch die verbindlichen Spielregeln und passt diese von Zeit zu Zeit an
neue Erfordernisse an.
Das Motto der FIDE lautet: "Gens una sumus": Wir sind eine Familie.
Die entsprechenden Aufgaben in den einzelnen Erdteilen oder Regionen (Arabien, Mittelmeer, …) übernehmen
regionale Dachverbände, darunter für Europa die ECU (European Chess Union).
Blicken wir auf einige weitere weltweit tätige Spezialorganisationen:
Manche weitere Organisation wäre noch zu nennen, so die "Ken Whyld Association" für Schachhistoriker. Das Schachspiel bietet
eben für jeden Interessenten spannende Bereiche, in denen er seine Freude finden wird.
Es gibt auch eine Internationale Schulschach-Union, die ISCU. Bisher hat sie jedoch keine große Bedeutung
erlangt – man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein.
Wie allgemein bekannt sein dürfte, wird in den beliebten Harry-Potter-Romanen Zauberschach gespielt. Im ersten Band
der Reihe schaffte es das königliche Spiel sogar auf das Titelbild.
Während im Roman nur zusammenhanglose Züge angesagt werden, hat man sich für den Film die Mühe gemacht, einen echten
Schachprofi um Rat zu fragen: Den angesehenen amerikanischen Schachmeister und -autor Jeremy Silman. Er hat auf seiner
Homepage die ganze Geschichte äußerst amüsant und lesenswert beschrieben.
Siehe dazu auf der Homepage von Jeremy Silman (Englisch!)
Wie man auf dem rechten Bild erkennt, besetzen die Helden des Romans 3 Schachfiguren, die an der Mattführung entscheidend
beteiligt sind.
Jeremy Silman hatte bei der Konstruktion seiner Aufgabe eine Reihe von dramaturgischen Vorgaben zu beachten:
Natürlich muss Harry Potter der große Held sein. Er wird triumphierend mattsetzen. Diesem Gedanken musste er sich auch
beugen, als er auf ein kürzeres Matt verzichtete – dabei wäre nämlich Harry geopfert worden…
Als Gegenspieler unseres Helden, also als Schurke und Bösewicht, fungiert die weiße Dame. Mit jedem ihrer Züge wird sie
eine Figur schlagen, aber beim Showdown wird sie schließlich von Harry zur Strecke gebracht und zugleich der König matt gesetzt.
Ron Weasley muss sich für seinen Freund opfern, um diesen grandiosen Schluss zu ermöglichen.
Über die Rolle von Hermi(o)ne kann man philosophieren: Mit Fug und Recht kann sie behaupten, dass ohne sie das Matt nicht
möglich wäre. Aber sie schaut nur aus der Ferne dem Kampf ihrer Freunde zu, ohne selbst in Gefahr zu kommen – eine echte Lady eben…
Hier nun der schachliche Verlauf der Partie nach den Angaben von Meister Silman. Im Film sind davon nur Ausschnitte zu sehen.
Harry Potter setzt matt
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